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Tabelle Fussball 1. Bundesliga 2009/10

Freitag, 11. Dezember 2009

Bundesliga Kolumne "Unser täglich Bier" - 11.12.09

TRANSFERGEFLÜSTER

- Gojko Kacar spielt unter dem neuen Hertha-Coach Friedhelm Funkel bislang keine tragende Rolle. Der Serbe ist seit längerem außer Form und in den letzten Wochen vom Hoffnungsträger zum Bankdrücker mutiert. Beim 0:2 auf Schalke am Sonntag saß Kacar gar 90 lange Minuten auf der Bank. "Keine Ahnung, warum", sagt der Mittelfeldspieler. Um nicht ähnlich unwissend in die Zukunft zu gehen, gibt es bald Gespräche.

Die "B.Z." will erfahren haben, dass in der Woche vor Weihnachten eine Krisensitzung zwischen Coach Funkel, Manager Michael Preetz und Kacars Onkel und Berater, Milan Kacar, anberaumt wurde, um die Rolle des 22 Jahre alten Strategen festzulegen. Die "B.Z." spekuliert, dass Kacar einen Wechsel forcieren wird, sollte seinem Neffen keine Stammplatz-Garantie geboten werden. Aufgrund der anstehenden WM brauch Kacar unbedingt regelmäßige Einsätze, will er in Südafrika zum Beispiel am 18. Juni gegen die DFB-Elf auflaufen.

"Das hängt vom Angebot ab", schließt Ingo Schiller, Finanz-Boss der Berliner, Winter-Verkäufe auch nicht grundsätzlich aus. Tritt der drohende Abstieg ein, würde Kacar im Sommer deutlich weniger einbringen als die rund 10 Millionen Euro, die Hertha ob des Vertrages bis 2012 verlangen kann. Angeblich sind mit dem AC Florenz und Juventus Turin zwei italienische Spitzenklubs an Kacar interessiert, auch Schalke wird mit ihm in Verbindung gebracht.

- Bei Werder Bremen gibt es trotz der tadellosen Saison einige offene Baustellen, die im Winter geschlossen werden sollen. Eine davon ist die Position des linken Verteidigers. Mit dem Tunesier Aymen Abdennour befindet sich derzeit ein Spieler für diese Position im Probetraining, der seit längerem beobachtet wird. Sportlich ist man bereits überzeugt: "Er ist aktiv und spiegelt das wider, was wir von ihm im vorhinein gesehen haben", sagt Werder-Coach Thomas Schaaf auf "werder.de". Nun wolle man ihn persönlich kennenlernen.

Kommt Abdennour, der noch bis 2014 an den tunesischen Klub ES du Sahel gebunden ist, im Winter fest an die Weser, dürfte das Kapitel Dusko Tosic endgültig beendet sein. Der Serbe spielt bei Schaaf überhaupt keine Rolle, soll nach Möglichkeit abgegeben werden. Wie auch im Falle Jurica Vranjes sei "Bewegung da", wird Manager Klaus Allofs in der "Bild" zitiert. Vranjes, im Mittelfeld zuhause, kommt seit Jahren nicht wirklich auf die Beine, sein Abgang im Winter ist wahrscheinlich.

Mit Marcelo Moreno taucht außerdem ein weiterer Name auf der Liste möglicher Abgänge auf. Die "Bild" berichtet, dass Moreno noch im Winter abgegeben werden soll. Der Bolivianer kam erst im Sommer auf Leihbasis von Schachtjor Donezk, konnte sich aber kaum in Szene setzten.

- Seydou Doumbia hat wohl noch mehr Optionen, als gedacht. War in den letzten Tagen vom Interesse aus Stuttgart und Hoffenheim die Rede, reihen sich nun auch Bayer Leverkusen und die Tottenham Hotspur in die Schlange der potenziellen Abnehmer für den Ivorer ein. Dies bestätigte sein Berater Jean-Bernard Beytrison. Allerdings werde der schnelle Stürmer der Elfenbeinküste, der nach der Einwechslung gegen Deutschland nicht nur bei seinem Treffer zum 2:1 seine Klasse zeigte, "erst im Sommer" seinen Verein Young Boys Bern verlassen, zitiert der "Kicker" Beytrison. Die Kontakte seien auch noch nicht konkret.

1899-Manager Jan Schindelmeiser hat Doumbia unterdessen am Sonntag beim 1:0-Sieg gegen Neuchatel beobachtet. Ausnahmsweise gelang dem 21-Jährigen kein Treffer. Er steht weiterhin bei 17 Saisontoren in nun 16 Spielen.

- Doumbia dicht auf den Fersen, aber deutlich günstiger, ist Ideye Brown, ein anderes afrikanisches Talent. Mit 13 Treffern steht der 21-jährige Nigerianer in Diensten von Xamax Neuchatel auf Platz zwei der Torschützenliste der Schweizer Super League.

Der VfB Stuttgart ist, trotz der Auferstehung ihres Sturms im Champions-League-Spiel gegen Unirea Urziceni, weiter auf der Suche nach einem Angreifer und hat nach "Kicker"-Informationen eben Brown ins Visier genommen. Der U-20-Nationalspieler Nigerias spielt seit zwei Jahren in der Super League und ist dem Neu-Coach der Schwaben, Christian Gross, daher gut bekannt. Dank des Achtelfinaleinzugs stehen Stuttgart zusätzliche Einnahmen zur Verfügung, von denen rund drei Millionen in einen Brown-Transfer fließen könnten, spekuliert der "Kicker".


MEDIZINISCHER REPORT

- Bayer Leverkusens Mittelfeldspieler Lars Bender konnte die Reise nach Berlin am Donnerstagnachmittag nicht antreten. Aufgrund von Meniskusproblemen fällt der 20-Jährige für das letzte Auswärtsspiel des Jahres am Freitag aus.

- Mimoun Azaouagh kehrt in den Kader des VfL Bochum zurück. Nach überstandener Muskelverletzung soll der Mittelfeldspieler in der Partie gegen den FC Bayern zum Einsatz kommen.

Für Diego Klimowicz ist die Hinrunde dagegen vorzeitig beendet. Der ohnehin gesperrte Angreifer leidet an einer leichten Lungenentzündung. Darüber hinaus plant VfL- Trainer Heiko Herrlich für die verbleibenden beiden Spiele bis zur Winterpause ohne die Rekonvaleszenten Philipp Bönig und Anthar Yahia.

- Mit Vedad Ibisevic und Andreas Ibertsberger in der Anfangsformation geht Trainer Ralf Rangnick die Partie von 1899 Hoffenheim gegen Eintracht Frankfurt an.

Ibisevic war zuletzt auf die Bank verbannt worden. Ibertsberger fehlte wegen der Beerdigung seines Vaters. Davor konnte er wegen Knochenbrüchen im Gesicht nicht spielen. Dafür müssen der verletzte Nationalspieler Andreas Beck und der gesperrte Maicosuel passen.

"Die Spieler haben gesagt, wir wollen dieses Jahr unter die ersten Fünf", sagte Rangnick über das neue Saisonziel seiner Profis.


FOKUS I

Jens Lehmann stand im Spiel gegen Unirea Urziceni wohl ganz schön unter Druck. Im wörtlichen Sinne.

Man musste zweimal hinschauen, um zu realisieren, was der VfB-Keeper in der 80. Minute des Champions-League-Spiels hinter der Bande tat. Die Kollegen des Torhüters waren zu diesem Zeitpunkt mit einem Angriff auf das gegnerische Tor beschäftigt. Lehmann nutzte die Gelegenheit, sprang über die Bande, kniete neben einem Kamerakoffer nieder und kehrte dann - als sei nichts gewesen - in seinen Kasten zurück. Und alle fragen sich: Hat er tatsächlich hinter die Bande gepinkelt? Die Fernsehbilder sprechen dafür. Lehmann wollte seinen Ausflug nicht bestätigen. Er grinste nur und sagte: "Ich war so nervös wie selten zuvor."

Nachträgliche Konsequenzen muss Lehmann nicht fürchten - zumindest nicht wegen seines Pinkel-Ausfluges. Ein anderes Thema dürfte ihm dagegen noch Ärger bereiten. Die Äußerungen, in denen er vor dem Spiel den VfB-Vorstand, seine Mitspieler und die Fans kritisiert hatte, werden Konsequenzen haben. Manager Horst Heldt ist stinksauer - und maßlos enttäuscht. "Das sind Aussagen, die wir nicht dulden können", wetterte er: "Der Zeitpunkt war falsch, und die Aussagen waren komplett falsch."

Wie die Konsequenzen aussehen werden, wollte Heldt noch nicht verraten. "Es gibt viele Möglichkeiten der Sanktionierung", sagte er. Nachdem die Spieler gestern einen freien Tag hatten, wird sich der Manager wohl am heutigen Freitag mit dem Torhüter zusammensetzen. "Ich werde in Absprache mit meinen Vorstandskollegen und dem Trainerteam reagieren."

Von einer Geldstrafe bis hin zur Trennung in der Winterpause scheint alles möglich. Was Horst Heldt sagt, hört sich jedenfalls drastisch an: "In einem normalen Arbeitnehmer-Arbeitgeberverhältnis gibt es das Mittel der Abmahnung. Ich glaube, nach zwei, drei Abmahnungen ist Kündigen angesagt. Ich bin kein Experte, da müsste ich erst mal meine Frau (eine Anwältin) fragen." Danach ruderte der Manager aber zumindest etwas zurück: "Bei uns im Fußball ist ja alles ein bisschen anders - da gibt es auch ein paar Zwischenstufen."


PORTRAIT

Im Sommer wechselten zwei junge Offensiv-Spieler vom Zweitligisten Rot-Weiß Ahlen in die Bundesliga. Kevin Großkreutz und Marco Reus - bis dahin auf nationaler Ebene eher unbekannt - haben sich innerhalb weniger Monate bei ihren Vereinen Dortmund und Gladbach etabliert.

Eine Ähnlichkeit fällt sofort auf: Sowohl Reus als auch Großkreutz sind waschechte Dortmunder Jungs. Marco Reus, Jahrgang '89, spielte bis zur U 19 bei der Borussia, wechselte 2006 zu Rot-Weiß. Kevin Großkreutz, ein Jahr älter, wurde schon 2002 aus der C-Jugend von Dortmund ausgemustert, weil er damals nicht den physischen Ansprüchen genügte. Die übrigen Jugendmannschaften durchlief er in Ahlen.

Über die Ahlener Nachwuchsabteilung haben beide dann den Sprung in die erste Mannschaft geschafft, mit der sie 2008 in die 2. Liga aufstiegen.

"Marco und Kevin haben technisch schon fast alles mitgebracht, was man braucht", sagt ihr damaliger Trainer Christian Wück. "Nur in taktischen Fragen hatten sie Defizite. Die erfahrenen Spieler wie Ronny Maul oder Lars Toborg haben ihnen da immer gute Tipps gegeben. Entscheidend war aber, dass sie diese auch bereitwillig angenommen haben. Das waren wirklich zwei lernwillige Typen."

Am Aufstieg hatten aber auch Reus und Großkreutz selbst entscheidenden Anteil, wie Wück betont: "Die Mannschaft war sich bewusst, dass sie da zwei ganz große Talente in ihren Reihen hat, die durchaus auch mal ein Spiel im Alleingang gewinnen können."

Als die beiden auch eine Spielklasse höher ihre Qualitäten zeigten, war es nur eine Frage der Zeit, bis die Klubs aus der obersten Etage aufmerksam wurden.

"Das Besondere ist, dass sie ihre hervorragende Technik auch in höchstem Tempo ausspielen können", sagt Wück. "Das ist der Faktor, weshalb sie sich jetzt auch in der Bundesliga durchsetzen. Dazu kommt unbändiger Wille und nicht zuletzt die nötige Torgefahr."

So spielen beide inzwischen wieder für Borussia. Aber während Großkreutz sich seinen sehnlichsten Kindheitstraum erfüllt hat und einen Dreijahresvertrag in Dortmund unterschrieb, ging Reus zur anderen Borussia nach Mönchengladbach.

Eine Entscheidung, die er bislang nicht bereut haben dürfte. Reus ist Stammspieler, Leistungsträger und - auch wenn er das vielleicht nicht hören mag - von Medien und Fans zum legitimen Nachfolger Marko Marins erhoben worden.

Der Vergleich mit dem nach Bremen abgewanderten Mittelfeldstar liegt auf der Hand, nicht nur wegen des Vornamens und der rein optischen Ähnlichkeit. Reus' Spielverständnis und Instinkt sind vergleichbar mit Marins, sein Abwehrverhalten als offensiver Mittelfeldmann sogar vielleicht noch einen Tick besser.

Für Wück ist es keine Frage, dass sich sein ehemaliger Schützling auf einem "steilen Weg nach oben" befindet. Nur abheben dürfe er nicht und Geduld müsse er haben, denn der eine oder andere Einbruch werde kommen.

Kevin Großkreutz brauchte etwas länger, bis er sich unter Jürgen Klopp durchsetzen konnte, hat nun aber zuletzt zweimal Nelson Valdez aus der Startelf verdrängt und gegen Nürnberg seinen ersten Bundesligatreffer erzielt.

Dass dies vor der Nordtribüne geschah und nicht vor der berüchtigten gelben Wand der Südtribüne, war nach eigenem Bekunden sein großes Glück. Ansonsten wäre er vermutlich nicht davon abzuhalten gewesen, den Zaun zu stürmen und sich eine Gelbe Karte wegen überschwänglichen Jubelns abzuholen.

Der Grund für diese Euphorie ist einfach zu erklären: Selbst zu Ahlener Zeiten ließ er es sich nicht nehmen, das eine oder andere Heimspiel der Schwarz-Gelben vor Ort zu verfolgen. Sein Vater ist bei jedem Heimspiel zugegen, hat seinen Sohn schon mit vier Jahren das erste Mal mit ins Stadion genommen. "Es gab Situationen, da musste ich ihm verbieten, Freitagabends in Dortmund ins Stadion zu gehen, weil wir am nächsten Tag ein Spiel hatten", erinnert sich Wück.

Für seine Borussia geht Großkreutz nun auf dem Platz die langen Wege. Hoffenheims Trainer Ralf Rangnick war derart beeindruckt von der läuferischen Leistung des 21-Jährigen beim Dortmunder Auswärtssieg im Kraichgau, dass er seinen eigenen Jungs den Borussen als Vorbild empfahl.

Dass der Weg für Marco Reus und Kevin Großkreutz steil nach oben führt, scheint vorgezeichnet. Dass das aber gerade bei Reus nicht zu schnell gehen soll, daran ist den Gladbachern gelegen. Mit Unbehagen wurden dort jüngste Gerüchte um eine Berufung von Reus ins Nationalteam aufgenommen.

Man solle keinem Hype erliegen und den Jungen nicht verheizen, ist aus dem Umfeld des Vereins zu hören.

Auch Wück hält diese Überlegungen für verfrüht: "Über kurz oder lang wird der Schritt Nationalmannschaft kommen, da bin ich sicher. Aber jetzt muss er sich erstmal im Verein und der Bundesliga stabilisieren."

Und dazu muss Reus vor allem noch im Kraftbereich nachlegen. Ein Schwachpunkt, den er sich - wie so viele Stärken auch - mit Großkreutz teilt. "Marco weiß selbst, dass er ein Hänfling ist. Und auch Kevin muss weiter an seiner Physis arbeiten", meint Wück. "Da müssen individuelle Programme erarbeitet werden, um das auszubessern."

Herkunft, Durchbruch in Ahlen, jetzt der Erfolg in der Bundesliga. Neben vielen Ähnlichkeiten gibt es aber durchaus Unterschiede zwischen den beiden Shooting-Stars. Wück: "Marco ist technisch vielleicht noch einen Tick weiter. Dafür hat Kevin eine unwahrscheinliche Torgeilheit."

Auch im Umgang mit der Öffentlichkeit offenbart sich ein Unterschied. Während Reus den Kontakt mit Medien scheut und sich in Interviews zurückhaltend äußert, ist Großkreutz deutlich extrovertierter.

Das freut insbesondere seine Fans und Freunde in Dortmund, für die er sogar eine eigene Kolumne auf dem Fanportal "schwatzgelb.de" schreibt. Dort kann jeder nachlesen, wie sich das anfühlt, wenn man sich den einen großen Kindheitstraum erfüllt.


INTERVIEW

Aaron Hunt ist nach schwierigen Jahren mit vielen Verletzungen endlich wieder angekommen in der ersten Mannschaft von Werder Bremen und mittlerweile sogar in der Nationalmannschaft. Der 23-Jährige ist ein echter Bremer Junge, wurde im eigenen Internat ausgebildet - und trotzdem zögert er noch mit seiner Vertragsverlängerung bei Werder.
Im Interview spricht Hunt über seinen Werdegang als Jugendlicher, das schwere Los als Eigengewächs, kommende Ziele als Nationalspieler und den Stand der Vertragsgespräche.

Frage: Aaron Hunt, Ihr Vater ist Deutscher, Ihre Mutter kommt aus England - wie viel Engländer steckt eigentlich in Ihnen?

Aaron Hunt: Bis auf meine Familie habe ich mit England so gut wie nichts zu tun. Ich bin hier geboren, aufgewachsen und habe hier das Fußballspielen gelernt. Bis auf meine Verwandten, die noch drüben leben, gibt es keine Beziehung zu England.

Frage: Dann kam es für Sie auch nie in Betracht, für die englische - und nicht für die deutsche - Nationalmannschaft aufzulaufen?

Hunt: Mit 17 habe ich das erste Mal darüber nachgedacht und damals ziemlich schnell entschieden, für Deutschland zu spielen. Für mich gab es nie etwas anderes.

Frage: Haben Sie das für sich alleine entschieden oder haben Sie sich auch Rat eingeholt?

Hunt: Ich hatte Rücksprache mit meiner Familie. Ich habe schon gemerkt, dass nicht alle damit einverstanden waren, sondern eher geteilter Meinung. Aber letztlich habe ich mich ganz alleine entschieden.

Frage: Es ist noch gar nicht so lange her, da stand Ihre Karriere auf des Messers Schneide - und plötzlich konnten Sie quasi zwischen zwei der größten Verbände der Welt entscheiden.

Hunt: Da kann man mal sehen, wie schnell alles gehen kann. Ich war ziemlich abgeschrieben, die letzte Saison war meine schlechteste bis dahin. Davor war ich viel verletzt und hatte nie zu meiner Form gefunden. Es haben immer ein Stück Frische und Fitness gefehlt. Ich konnte nie zeigen, was ich kann. Deshalb war es eine unheimlich schwere Zeit.

Frage: Hatten Sie damals auch Zweifel daran, ob es jemals wieder mit Ihrem Beruf als Profi klappen könnte?

Hunt: So weit ging es nicht. Aber ich habe schon gemerkt, dass die Zeit langsam knapp wird. Ich habe mich damals selbst extrem unter Druck gesetzt, wollte endlich weg von den Verletzungen und Formschwankungen. Deshalb war mir im Sommer klar, dass das eine ganz entscheidende Saison für mich werden wird.

Frage: Im Moment sind Sie verletzungs- und schmerzfrei. Sind Sie deshalb auch nach langer Zeit wieder frei im Kopf?

Hunt: Definitiv. Es war sehr belastend, im Hinterkopf immer dieses unsichere Gefühl zu haben. Jetzt ist aber alles okay und ich arbeite hart daran, dass das auch so bleibt.

Frage: So komisch es klingt: Aber war diese schwere Zeit für Ihre Entwicklung als Mensch im Rückblick auf gewisse Weise auch positiv?

Hunt: Es hat mich als Mensch stabiler und reifer gemacht. Ich habe gesehen, dass es nicht immer aufwärts gehen kann. Erst wenn man das erlebt hat, weiß man seine Gesundheit wieder zu schätzen und wie schön es ist, verletzungsfrei zu spielen. Ich sehe die Dinge mittlerweile anders. Ich freue mich über jedes Spiel, versuche alles aufzusaugen. Davor saß ich sieben, acht Monate auf der Tribüne und musste die Spiele von dort aus anschauen - das möchte ich nie wieder erleben.

Frage: Es ist keine Selbstverständlichkeit im Profigeschäft, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer so viel Zeit einräumt und immer nachsichtig ist - selbst wenn der Spieler zum Beispiel für Verletzungen gar nichts kann.

Hunt: Deshalb bin ich Thomas Schaaf und Klaus Allofs auch so dankbar. Sie haben mich immer unterstützt, gerade in den schweren Zeiten. Ich konnte immer zu Ihnen gehen, als es mir nicht so gut ging.

Frage: Sie sagen, Sie würden sich nicht mehr so viele Gedanken über missglückte Aktionen auf dem Platz machen wie früher, deshalb könnten Sie befreiter aufspielen. Sind Sie selbst zu dieser Erkenntnis gelangt oder nehmen Sie auch Hilfe zum Beispiel von einem Mentaltrainer in Anspruch?

Hunt: Das habe ich für mich herausgefunden. Früher habe ich mich zu leicht von Kleinigkeiten runterziehen lassen. Dann war meine Körpersprache im Eimer und mein Spiel belastet. Daran habe ich gearbeitet. Wenn jetzt etwas daneben geht, hake ich das ab und weiter geht's.

Frage: Haben Sie Bücher über Mentaltraining gelesen?

Hunt: Nein, das nicht. Aber ich habe mir meine Spiele nochmals angeschaut. Da habe ich einige Fehler entdeckt. Die versuche ich jetzt nicht mehr zu machen.

Frage: Nicht nur Sie, auch Ihre Mannschaft spielt wieder sehr guten Fußball. Das Team wirkt geschlossener und verschworener als die Jahre zuvor. Wurde seit der Sommerpause verstärkt Wert auf teambildende Maßnahmen gelegt?

Hunt: Die Vorbereitung verlief wie alle anderen davor auch. Es wurde nichts groß geändert. Auch die tägliche Arbeit ist eigentlich wie immer. Aber eine Sache stimmt schon: Wir zeichnen ein neues Mannschaftsbild auf dem Platz, jeder ist für jeden da.

Frage: Hört sich an, als wäre es nicht immer so gewesen. War Diegos Wechsel für die Flexibilität und damit verbundene neue Kreativität des Bremer Spiels sogar eine Art Befreiung?

Hunt: Es war viel abhängig von Diego, unser Spiel war auf ihn zugeschnitten und dadurch waren wir natürlich auch leicht auszurechnen. Jetzt ist die Kreativität auf mehrere Schultern verteilt, unser System ist nicht mehr so starr. Wir haben einige Spieler, die ihre eigenen Ideen mit dem Ball am Fuß entwickeln können. Das ist unser Erfolgsrezept für diese Saison: Wir sind kaum auszurechnen.

Frage: Werder hat innerhalb sehr kurzer Zeit einen kleinen Stilwechsel vollzogen und bekommt plötzlich jene Balance zwischen Defensiv- und Offensivverhalten hin, die die letzten Jahre gefehlt hat. Wie ging das so schnell?

Hunt: Wir haben aus dem letzten Jahr gelernt. Ich glaube, das ist die wichtigste Erkenntnis. Im Prinzip stehen immer noch dieselben Spieler auf dem Platz. Jeder hat seinen Bereich oder seinen Korridor, den er zu bearbeiten auf der jeweiligen Position hat. Das gilt auch für uns Mittelfeldspieler und Stürmer, die eigentlich eher offensiv ausgerichtet sind.

Frage: Sie sind mittlerweile eine Art Vorzeigeprofi für Werder - Sie kommen aus dem eigenen Stall, haben das Internat durchlaufen und sind jetzt Nationalspieler. Beschreiben Sie doch kurz das Leben im Internat.

Hunt: Mit 14 bin ich aus Goslar zu Werder ins Internat gewechselt. Das erste Jahr war richtig hart, ich hatte furchtbares Heimweh, habe meine Familie vermisst. Obwohl immer Menschen um einen herum sind, ist man doch sehr viel auf sich alleine gestellt. Ich habe oft überlegt, ob es die richtige Entscheidung war. Zum Glück hatte ich in Bernd Pfeiffer jemanden, der immer ein offenes Ohr für mich hatte. Das ist auch heute noch so. Ihm habe ich alles zu verdanken.

Frage: Bastian Schweinsteiger klagt öfter darüber, dass er es als Eigengewächs bei Bayern schwerer habe als Teamkollegen, die für viel Geld eingekauft werden. Beim VfB Stuttgart dagegen genießen die eigenen Talente mit den höchsten Stellenwert. Wie ist das bei Werder?

Hunt: Ich sehe es ähnlich wie der Basti. Ich finde es auch schwerer. Spieler, die eingekauft werden, haben zunächst immer die Nase vorn. Das kann man wohl nicht abstreiten. Bei allem Verständnis und Fairness gegenüber den Mitspielern: Aber das war bei mir genau so.

Frage: Philipp Bargfrede ist der nächste, der auf dem Sprung ist. Geben Sie ihm Tipps?

Hunt: Das muss ich gar nicht. Philipp ist ja nicht naiv, sondern schlau genug. Der weiß schon, was er tut.

Frage: Im Juli 2010 läuft Ihr Vertrag aus. Sie halten sich bis jetzt sehr bedeckt. Pokern Sie nur oder grübeln Sie wirklich über eine grundsätzliche Entscheidung?

Hunt: Ich habe immer gesagt, dass ich als erstes mit Werder reden möchte. Das werden wir in der Winterpause auch tun. Vielmehr kann ich Moment dazu nicht sagen.

Frage: Wie ist Ihre Tendenz?

Hunt: Ich fühle mich hier wohl und bin glücklich. Außerdem ist ein Teil meiner Familie hier...

Frage: Machen Sie Ihre mögliche Verlängerung auch von Thomas Schaafs Zukunft abhängig? Sein Vertrag läuft ebenfalls aus...

Hunt: Es wäre für mich schon von Vorteil, wenn der Trainer der gleiche bliebe. Ich bin jetzt seit sechs Jahren ein Spieler von Thomas Schaaf und schätze ihn sowohl als Trainer als auch als Mensch. Es wäre ein großer Verlust für den Verein, wenn er nicht bleiben würde.

Frage: Sie sind flexibel einsetzbar, was viele Vorteile mit sich bringt. Aber manchmal auch Nachteile. Wo genau sollte Jogi Löw Sie denn in der Nationalmannschaft einsetzen?

Hunt: Ich sehe mich schon im Mittelfeld, da am ehesten auf der rechten Seite. Wobei ich auch links spielen könnte.

Frage: Rechts wäre weniger Konkurrenz...

Hunt: Wen ich dann als Konkurrenten habe, ist mir relativ egal.

Frage: Löw behält sich womöglich eine Position in der Hinterhand, die er mit einem Spieler mit einer oder mehreren Spezialfähigkeiten besetzen will. Was ist Ihre?

Hunt: Ich bin auf jeden Fall nicht ganz so schnell wie David Odonkor... Aber ich bin auch nicht der Langsamste, habe eine gute Technik und entwickle Torgefahr. Aber ich rede nicht so gerne über mich selbst oder meine Stärken.

Frage: Dann reden Sie über Ihre Schwächen.

Hunt: Das Kopfballspiel muss ich auf jeden Fall noch deutlich verbessern.

Frage: Das Finale der Europa League findet im Mai in Hamburg statt. Es gäbe für Werder wohl kaum etwas Schöneres, als im Stadion des Erzrivalen den Pott zu holen...

Hunt: Zunächst ist ein Finale in Deutschland für alle deutschen Vereine etwas ganz Besonderes. Wir durften ja letzte Saison schon ein Endspiel erleben, leider mit dem falschen Ausgang. Es ist ein weiter Weg, auch das haben wir in der vergangenen Saison gelernt. Aber wir wollen da wieder hin.

Frage: Und Sie wollen deutscher Meister werden.

Hunt: Dazu fehlen noch 19 Spieltage... Wir spielen bis jetzt einen sehr guten Ball und sind oben dran. Aber selbst jetzt gibt es immer noch eine Mannschaft, die besser ist: Bayer Leverkusen. Und es ist ja nicht so, dass wir zum Vierten sieben oder acht Punkte Vorsprung hätten. Es ist alles sehr eng. Wenn wir zwei, drei Spielen verhauen, sind wir ruckzuck wieder Sechster. Letzte Saison waren wir Zehnter - damit hätte nun auch niemand gerechnet. Also müssen wir gewarnt sein!


SPIELVORSCHAU

Ausgerechnet gegen Tabellenführer Leverkusen will Hertha BSC am Freitag seine Negativserie beenden. "Warum nicht", meint Manager Michael Preetz: "Wir müssen unseren Frust jetzt auf dem Platz in Energie umsetzen."

Fünf Punkte in der Liga, erst ein Sieg, acht Zähler Abstand bis zum Nichtabstiegsplatz - für Preetz kein Grund, den Kopf schon jetzt in den Sand zu stecken: "Oft liegt es an Kleinigkeiten, die Situation zu drehen. Die Vereine in der Bundesliga sind eng zusammen."

Ihren neuen Mut schöpfen die Berliner aus der Niederlage beim FC Schalke 04 am vergangenen Spieltag. "Diese Partie hat gezeigt, dass es in jedem Spiel möglich ist zu punkten - auch für uns. Über 90 Minuten war kein Unterschied zu erkennen wie zwischen einem Tabellendritten und einem 18. der Liga", meint Preetz.

Tatsächlich hatte die Hertha auf Schalke ein anderes Auftreten als noch eine Woche zuvor bei der Heimpleite gegen Frankfurt. Die Mannschaft war defensiv gut organisiert und stand zumeist so sicher, dass sie dem Gegner das Leben schwer machte. Für den Trainer ist das auch ein Rezept gegen den offensivstarken Spitzenreiter. "Wir wollen Bayer nicht ins Spiel kommen lassen", kündigt Friedhelm Funkel an.

Kritik an der vor allem defensiv ausgerichteten Taktik will die Hertha nicht gelten lassen. "Die defensive Spielweise liegt uns einfach mehr", bekennt Fabian Lustenberger freimütig. Und auch Maximilian Nicu winkt ab: "Die Kritik, wir würden ein Spiel zerstören, haben wir in der letzten Saison auch gehört. Wenn wir drei Punkte holen, ist es egal, was die gegnerischen Trainer sagen."

Da Hertha aber zurzeit kaum etwas erspart bleibt, ist es fast logisch, dass Funkel seine Defensive erneut umbauen muss. In Schalke ersetzte Christoph Janker den gelbgesperrten Kapitän Arne Friedrich - und sah Gelb-Rot. Da Friedrich wegen Leistenbeschwerden erneut auszufallen droht, muss nun wohl Kaka ran - es wäre erst sein zweiter Saisoneinsatz. Eine eingespielte Abwehr sieht anders aus.

Trotz der Umstellungen in der Defensive drückt der Schuh aber nach wie vor mehr in der Offensive. An einem konstruktiven Aufbauspiel und an Torgefahr mangelte es den Berlinern in den vergangenen Wochen. Dass Gegner Leverkusen die beste Abwehr der Liga stellt, macht die Aufgabe nicht einfacher. "Wir müssen durchschlagskräftiger werden und Tore schießen. Dass wir gegen eine gute Defensive nicht viele Chancen bekommen, ist klar, aber die müssen wir nutzen", fordert Preetz.

Der Fokus auf Bayer und das letzte Vorrundenspiel gegen Bayern ist das eine, der Blick auf die Rückrunde das andere. Denn auch bei Friedhelm Funkel kreisen die Gedanken schon jetzt um den Auftakt im neuen Jahr. "Wir wollen im Winter zwei, drei neue Spieler holen und dann eine Aufholjagd starten", hat der Coach in diesen Tagen noch einmal bestätigt: "Wenn wir im Januar gut aus den Startlöchern kommen, können wir aus dem Negativlauf der Hinrunde einen positiven Lauf machen."

Voraussetzung: Der Abstand zum rettenden Ufer wird bis Weihnachten nicht zu groß. Und dazu müssten tatsächlich Punkte her gegen Bayer oder Bayern. Wie sagte es doch Maximilian Nicu so schön: "Unsere Situation ist blöd, aber nicht aussichtslos. Es hilft nicht, wenn wir uns jetzt verstecken und die Tür abschließen."

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